Geplant war eine Foto-Reportage über die Helden von Mossul. Als der irakische Fotograf Ali Arkady mit der Spezialeinheit “Emergency Response Division” des Innenministeriums loszog, um die Befreiung von Mossul vom IS zu dokumentieren, wurde schnell klar: Aus Helden waren Monster geworden. Vergewaltigung, Folter und standrechtliche Erschießungen, das ist die Realität, die Ali Arkady dokumentiert hat.
Schwer auszuhalten.
Aber Realität in der von Rache gesteuerten Gesellschaft des Irak. Und auf die trifft die Bundeswehr. Bis zu 800 deutsche Soldaten sollen ab April “Maßnahmen des Fähigkeitsaufbaus für die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte mit Fokus auf die zentralirakischen Streitkräfte” durchführen.
Von der Verbrüderung zum Verdacht
Wir treffen den irakischen Kriegsreporter an einem geheimen Ort. Denn seit einem Jahr ist er auf der Flucht. Seit er publik gemacht hat, wie die irakische Armee mitunter gegen Zivilisten vorgeht. “Ich habe oft gesehen, wie sie Leute folterten. Ich habe mich immer gefragt, warum sie mich das haben sehen lassen, wie sie Leute folterten. Ich hatte große Angst, aber gleichzeitig war ich neugierig zu wissen, was sie noch alles machen.”
Rückblick: Im Herbst 2016 rücken irakische Armee- und Sicherheitskräfte mit aller Macht auf die Stadt Mossul vor. Ortschaft um Ortschaft drängen sie die Terrormiliz IS zurück. Menschen können endlich deren Terrorherrschaft entfliehen. Verbrüderungsszenen zwischen Bewohnern und ihren Befreiern. Doch jungen Männern haftet ein Verdacht an: Gehörten sie dem IS an? Haben sie den IS unterstützt? Ali Arkady ist zu dieser Zeit mit einer hochtrainierten Antiterror-Einheit unterwegs, der ERB, der “Emergency Response Brigade”. Über Monate begleitet Arkady sie, gewinnt ihr Vertrauen. Er will dokumentieren, wie der gemeinsame Kampf gegen den IS das irakische Volk eint. Doch was Ali Arkady dann mit seiner Kamera festhält, hätte er nicht für möglich gehalten.
Folter vor laufender Kamera
Sind aus Befreiern am Ende vielfach Peiniger geworden? Donatella Rovera ist eine der profiliertesten Kennerinnen der Region, war vor kurzem selbst in Mossul. Für Amnesty International untersucht sie seit Jahren Menschenrechtsverletzungen bei irakischen Streit- und Sicherheitskräften. “Diese Menschenrechtsverletzungen sind sehr weit verbreitet. Amnesty International hat verschiedene Formen bei allen Armee- und Sicherheitskräften dokumentiert. Es geht um Folter von Gefangenen, willkürliche Hinrichtungen. Hunderte Männer und Kinder unter 18 Jahren sind einfach verschwunden”.
Gefährliche Konsequenzen
Ali Arkady muss fürchten, dass sich die Soldaten, die er gefilmt hat, an ihm rächen wollen. Ein Risiko, das er bewusst auf sich genommen hat. Denn nur durch Aufklärung, findet er, hat der Irak irgendwann eine Zukunft – ohne Folter und Machtmissbrauch.
Gesendet: 12.03.18, ARD/Weltspiegel